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Barrierefreiheitsgesetze weltweit

Richterhammer und Waage.Kleines Handbuch für Inklusionsrichtlinien

Alle Menschen sollten gleichermaßen an den digitalen Medien teilhaben können. Aber nicht jeder hat die Möglichkeit dazu. Weltweit haben etwa 1 Milliarde Menschen eine Behinderung. Davon sind 215 Millionen von einer Sehbehinderung betroffen und haben daher große Probleme mit der Nutzbarkeit von Websites. Es reicht nicht mehr aus, nur Gebäude zugänglich zu machen, auch im Internet muss Inklusion betrieben werden. Deshalb gibt es einen internationalen Standard für digitale Barrierefreiheit. Die „Web Content Accessibility Guidelines“, kurz WCAG.

Was genau sind die WCAG-Richtlinien?

Die WCAG sind eine Reihe von Richtlinien, die vom World Wide Web Consortium (W3C) entwickelt wurden und einen Rahmen für die Zugänglichkeit von Websites für Menschen mit Behinderungen bieten. Sie sind in vielen Ländern als nationaler Standard anerkannt und richten sich nach den vier Prinzipien Wahrnehmbarkeit, Bedienbarkeit, Verständlichkeit und Robust. Letzteres bedeutet, dass Web-Inhalte von einer Vielzahl von Benutzer*innen interpretierbar sein müssen, einschließlich unterstützender Technologien.

Die Richtlinien sind in die drei Konformitätsstufen A, AA und AAA eingeteilt. Dabei ist die Stufe AA der Mindeststandard, der in vielen Ländern von den Gesetzen zur Barrierefreiheit gefordert wird. Da sich aber die nationalen Gesetze zur Barrierefreiheit unterscheiden können, haben wir für euch die wichtigsten Gesetze einiger Länder für euch zusammengefasst:

Europa

Flag of europeDie Gesetzeslage in Europa bezieht sich ebenfalls auf zwei maßgebliche Richtlinien. Der “European Accessibility Act” und “EN 301 549”.

Letztere, die Richtlinie der Europäischen Union zur Barrierefreiheit im Web, schreibt vor, dass alle Websites und mobilen Anwendungen des öffentlichen Sektors den WCAG 2.1 Level AA-Standards entsprechen müssen. Die Richtlinie gilt für alle Mitgliedstaaten der EU und soll den Zugang zu Websites und Anwendungen des öffentlichen Sektors für Menschen mit Behinderungen verbessern.

 Der European Accessibility Act oder auch EAA, verpflichtet die Mitgliedsstaaten unter anderem dazu, den Online-Handel bezüglich Güter und Dienstleistungen für Verbraucher*innen barrierefrei zu gestalten. Diese Richtlinie muss bis zum 28.Juni.2025 von allen EU-Ländern in der nationalen Gesetzgebung umgesetzt werden.

Deutschland

Hier gibt es bislang zwei Gesetze zur Barrierefreiheit: das „Behindertengleichstellungsgesetz“ (BGG) und die „Bundesverordnung über barrierefreie Informationstechnik“ (BITV).

Das BGG gilt für den Bund, seine Einrichtungen, öffentliche Stiftungen und Institutionen sowie deren Tochterunternehmen und Unternehmen, die dem Bund unterstehen, durch den Bund kontrolliert oder ernannt werden. Es deckt Waren und Dienstleistungen ab. Das heißt beispielsweise Transportmittel, technische und nichttechnische Produkte, Informationsquellen und Kommunikationseinrichtungen. Es verpflichtet dazu, Websites und mobile App-Inhalte für alle Menschen zugänglich zu machen, Alternativen anzubieten und eine Erklärung zur Barrierefreiheit ihrer Websites oder mobilen Anwendungen zu veröffentlichen. Darüber hinaus muss  alle drei Jahre ein Bericht über den Status der Barrierefreiheit vorgelegt werden.

Die BITV gilt für alle öffentlichen Einrichtungen, Bundesbehörden sowie deren Lieferanten, Auftragnehmer und Partner. Die BITV verpflichtet zur Gestaltung von Informations- und Kommunikationstechnologie, die für Menschen mit allen Arten von Behinderungen zugänglich ist. Mit der BITV 2.0 wurden die WCAG-Richtlinien gesetzlich verankert.

Am 28.Juni.2025 tritt außerdem das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz, kurz BFSG, in Kraft. In diesem wird die barrierefreie Gestaltung von Online-Shops gefordert. Soweit es um Produkte und Dienstleistungen geht, fördert das Gesetz die gleichberechtigte und diskriminierungsfreie Teilhabe von Menschen mit Behinderungen, Einschränkungen und älteren Menschen.

USA

USA flagIn den USA gibt es verschiedene wichtige geltende Regelungen zur Barrierefreiheit. Eine davon ist der “Americans with Disabilities Act(ADA), Section 508. Das ist ein US-amerikanisches Gesetz, das die Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen in allen Bereichen des öffentlichen Lebens, einschließlich Beschäftigung, Bildung und Verkehr, verbietet.

Es stellt sicher, dass die gesamte elektronische Technologie und Informationstechnologie, die entwickelt, beschafft, gewartet oder genutzt wird, für Menschen mit Behinderungen zugänglich ist.

Kanada

Die kanadische Regierung hat bereits seit längerer Zeit Gesetze zur Barrierefreiheit im Internet. Kürzlich wurde der “Canadian Human Rights Act” von 1977, welcher Einschränkungen und Diskriminierung von Menschen verbietet, durch explizite behindertengerechte Gesetze ersetzt.

Hier gilt der “Canadian Standard on Web Accessibility”. Dieser Standard gilt für Ministerien, Behörden, Zweigstellen und Institutionen der kanadischen Regierung. Die Norm schreibt vor, das Web für Menschen mit Behinderungen zugänglich zu machen und die WCAG 2.0 Level AA Konformitätsanforderungen zu erfüllen.

In Kanada gilt der “Accessible Canada Act”(ACA). Diese Regelung stellt sicher, dass Menschen mit Behinderungen nicht in der Beschaffung von Gütern und Dienstleistungen, Beschäftigung, Transport und Informations und Kommunikationstechnik, einschließlich digitaler Inhalte und der Technologien, die für den Zugang zu ihnen verwendet werden, eingeschränkt werden.

Wer muss sich daran halten: Private oder gemeinnützige Organisationen mit mehr als 50 Mitarbeitern und alle Organisationen des öffentlichen Sektors.

Ein weiteres Gesetz ist der “Accessibility for Ontarians with Disabilities Act” (AODA). Es verpflichtet alle Organisationen des öffentlichen und privaten Sektors, ihre Waren, Dienstleistungen und Informations- und Kommunikationsgüter für die Öffentlichkeit gleichermaßen zugänglich zu machen.

Weiter gibt es auch noch den AMA, “Accessibility for Manitobans Act”. Damit wird die Zugänglichkeit von Websites, mobilen Anwendungen und digitalen Inhalten von Organisationen des öffentlichen und privaten Sektors für Menschen mit verschiedenen Formen von Behinderungen vorgeschrieben. Auch hier wird wieder WCAG als Standardreferenz genommen.

Der “Nova Scotia Accessibility Act” ist das dritte kanadische Provinzgesetz zur Barrierefreiheit und ist im April 2017 in Kraft getreten. Es verpflichtet Organisationen des öffentlichen und privaten Sektors, dafür zu sorgen, dass Waren, Dienstleistungen und Information und Kommunikationstechnik, einschließlich Websites und mobile Anwendungen, für Menschen mit Beeinträchtigungen zugänglich sind. Es bezieht sich auf die Anforderungen der WCAG 2.0 AA.

England

England flag

Im Vereinigten Königreich verbietet der “Equality act” von 2010 die Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen bei der Bereitstellung von Waren, Einrichtungen und Dienstleistungen, einschließlich Websites.

Die Regelungen in den “Public Sector Bodies (Websites and Mobile Applications) (No. 2) Accessibility Regulations 2018” verpflichten öffentliche Einrichtungen, den internationalen Zugänglichkeitsstandard WCAG 2.1 AA zu erfüllen und eine Stellungnahme zur Barrierefreiheit zu veröffentlichen.

Darüber hinaus hat die Regierung den internationalen „BS ISO 30071-1-Standard“ spezifiziert, um die Barrierefreiheit zu verbessern, inklusives Design, Benutzerfreundlichkeit und Nutzererfahrung bei der Webgestaltung zu fördern und die Barrierefreiheit für behinderte und ältere Menschen sicherzustellen. Dieser Standard entspricht dem Equality Act 2010 und bezieht sich auch auf WCAG 2.0. Die neuen Vorschriften für die Barrierefreiheit gelten seit dem 23. September 2018 für öffentliche Stellen im Vereinigten Königreich.

Israel

Israel flag

In Israel schreibt der “Equal rights for people with disabilities act” aus dem Jahr 2013 vor, dass Websites und Anwendungen, die Dienstleistungen und/oder Informationen für die Öffentlichkeit bereitstellen, barrierefrei sein müssen. Das israelische Antidiskriminierungsgesetz richtet sich ebenfalls nach den WCAG 2.0 Level AA Standards.

Japan

Japan flagDie japanische Regierung ist ein Vorreiter, wenn es darum geht, internationale Standards für Barrierefreiheit und Technologien zu suchen. Schon im Jahr 1999 gab das japanische Ministerium für Post- und Telekommunikation eine Erklärung zu Barrierefreiheits-Richtlinien im Internet ab.

 Das japanische Internet-Zugänglichkeitsgesetz für Webinhalte und Information, „JIS X 8341-3″, betrifft alle Ministerien und den öffentlichen Sektor des Landes und schreibt die Berücksichtigung von Aspekten vor, die bei der Planung, dem Entwurf, der Entwicklung, der Produktion, der Wartung und dem Betrieb von Webinhalten eingehalten werden müssen, um sicherzustellen, dass Webinhalte und -informationen für ältere Menschen und Menschen mit Behinderungen zugänglich sind. Die Regelung bezieht sich auf Güter, Dienstleistungen, Kommunikation, Information und Aktivitäten der Regierung.

 Die Richtlinien in diesem Gesetz übernehmen nicht die WCAG-Leitlinien, haben aber ähnliche Kriterien wie die WCAG 2.0. Allerdings sind sie rechtlich nicht bindend.

Australien

Australia flag

Der „Disability Discrimination Act“ von 1992 ist Australiens wichtigstes Gesetz zur Barrierefreiheit im Internet. Es gilt für alle australischen Regierungsbehörden und Organisationen, die Waren, Einrichtungen oder Dienstleistungen anbieten, und verlangt von ihnen, dass ihre Informationen für alle Menschen zugänglich sind, einschließlich Menschen mit Behinderungen. WCAG 2.0 AA ist die von der australischen Regierung akzeptierte Standardreferenz für Web-Accessibility.

Italien

Italy flagDer “Stanca Act” wurde in Italien eingeführt, um sicherzustellen, dass Informationen und Dienstleistungen für ältere Menschen und Menschen mit Behinderungen ohne Diskriminierung zugänglich sind. Das Gesetz erfordert die Einhaltung der WCAG 2.0 AA-Kriterien und legt 22 technische Anforderungen fest, die am 8. Juli 2005 in Kraft getreten sind.  

 Es gilt für alle italienischen Regierungsbehörden und öffentlichen Sektoren sowie für regionale kommunale Unternehmen, einschließlich des Transport- oder Telekom-Sektors, an dem der Staat beteiligt ist.  

Indien

India flag.

Hier gibt es zwei Gesetze, die die Barrierefreiheit des Landes vorgeben. Den „Rights of Persons with Disabilities Act“ (RPD) und die „Guidelines for Indian Government Websites“. Der RPD gilt für den öffentlichen und privaten Sektor und deckt unter anderem Bereiche wie Kunst, Kultur, Gesundheitsversorgung, Justiz, Infrastruktur, Bildung und Beschäftigung ab.  

Die “Guidelines for Indian Government” verlangen die barrierefreie Gestaltung von Informations- und Kommunikationstechnologie. 

Die Richtlinien für indische Regierungswebsites legen fest, dass alle Inhalte barrierefrei gestaltet werden müssen und gelten für alle öffentlichen Stellen und Bundesbehörden. 

Frankreich

France flag

In Frankreich gibt es mit dem Gesetz „№ 2005-102 Artikel 47“ schon seit dem Jahr 2005 Regelungen zur Barrierefreiheit im Internet. Es schreibt vor, dass alle öffentlichen Online-Kommunikationsdienste für Menschen mit Behinderungen zugänglich sein müssen. Außerdem wird hier ein Multi-Jahresplan, um die angebotenen Dienste zugänglich zu machen, gefordert. 

Das Gesetz findet seine Anwendung im „RGAA“, dem allgemeinen Zugänglichkeits-Rahmenwerk. Dieses dient als offizieller Leitfaden der französischen Regierung zur Verbesserung der Webzugänglichkeit für die Bevölkerung mit Behinderungen und richtet sich nach der internationalen Norm WCAG 2.0 und die WCAG 2.1 AA der EN 301 549 V2.1.2 (EU-Norm).

Brasilien

Brasil flagBrasilien war mit seiner inklusiven Gesetzgebung auch schon sehr früh dran. Das im Jahr 2000 erlassene Gesetz “L. 10.098” schreibt Barrierefreiheit in der Kommunikation und die Beseitigung von Barrieren vor und garantiert das Recht von Menschen mit Behinderungen auf Information und Kommunikation und betrifft alle staatlichen Websites.  

 Das Gesetz wurde 2004 um die „Verordnung 5.296″ erweitert. Sie schreibt unter anderem vor, dass alle Websites von Regierungsbehörden für Menschen mit Behinderungen innerhalb von 12 Monaten zugänglich gemacht werden müssen und mit einem Symbol versehen sein müssen, das auf Barrierefreiheit hinweist. 

Spanien

spain flag

In Spanien gibt es vier nationale Gesetze zur Barrierefreiheit, darunter das „Gesetz 34″, das die Zugänglichkeit von Websites der öffentlichen Verwaltung und aller mit öffentlichen Mitteln finanzierten Websites vorschreibt.  

Das “Royal Decree 209” erörtert die WCAG-Leitlinien des W3C zur Erreichung der Prioritätsstufe AA.

Weiter gibt es noch das „Gesetz 51″, welches sich mit der Gleichstellung von Möglichkeiten, der Nicht-Diskriminierung und universaler Barrierefreiheit für Menschen mit Behinderungen befasst und das „Gesetz 59″, welches Richtlinien für elektronische Signaturen festlegt.  

Auch, wenn es viele Gesetze zur Regelung der Barrierefreiheit im Internet gibt, ist der Weg zur digitalen Inklusion noch weit. Mit der Zusammenarbeit von Regierungen, Unternehmen, und der Gesellschaft können wir eine Welt schaffen, in der jeder Mensch die Möglichkeit hat, sein volles Potenzial zu entfalten und aktiv an der digitalen Welt teilzuhaben. Wir, bei Eye-Able, werden auch weiterhin unsere Expertise einsetzen, um bei Eye-Able innovative Lösungen zu entwickeln und die Standards der Barrierefreiheit voranzutreiben. 

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